Theaterhaus Jazztage 2025 / Rita Payés & Band, Martin Tingvall Trio
Montag, 18. April 2025
Rita Payés & Band
Der Auftritt der Katalanin wird von einem ruhigem Bassvamp eröffnet. Horacio Funero, einst mit Gato Barbieri nach Europa gekommen und geblieben und Alterspräsident der Combo, legt den Grund für ein entspanntes Latin-Feeling. Die Band ist seit etlichen Jahren in dieser Zusammensetzung unterwegs; anfangs rein akustisch aufgestellt, hat sie sich mit Pol Battle (so heisst er tatsächlich) um einen Stromgitarrenspieler erweitert. Der setzt auch gleich im ersten Stück seine Marke mit einem abstrakten und stark verhalltem Solo, welches angenehm kontrastiert mit dem bodenständigen Groove und der Weichheit von Gesang und Posaunenspiel der Bandleaderin.
Ein filgran werkelnder, aufmerksamer und sensibler Musiker ist Joan Rodriguez Berbin am Drumkit. Konzentriert und ideenreich bringt er seine Trommeln mit Händen, Besen, Sticks und Mallets zum Schwingen. Überhaupt sind in diesem Segment des Jazz alle irgendwie auch Perkussionisten: den Resonanzkörper ihrer Instrumente bringen Elisabeth Roma, klassisch ausgebildete Gitarristin, und Horacio Funero auch klopfend zum Schwingen. Im weiteren Verlauf gibt es dann allerhand Rotation auf der Bühne. Rita Peyés greift zur Gitarre und bringt im Duo mit ihrer Mutter Elisabeth zwei gefühlvolle und traditionell inspirierte Lieder zu Gehör, Horacio Fumero begleitet die Posaunistin für ein weiteres Duett allein. Fantastisch all das, es zeigt wie vielseitig diese Musiker sind. Aber es zerteilt den Konzertabend in kleine Fragmente, die mitunter ein wenig beziehungslos nebeneinander stehen.
Natürlich sind das Klagen auf höchstem Niveau. Eine swingender Titel mit ordentlich Schub regt Peyés und ihre Mitmusiker zu feurigen Soli an, und zu guter letzt macht Pol Battle seinem Namen alle Ehre und lässt ekstatisch alle Zügel fahren. Vielleicht genau der richtige Schlusspunkt für den folgenden kraftvollen Auftritt des Tingvall Trios.
Rita Payès voc, tr, p
Elisabeth Roma git
Pol Battle git, electric
Horacio Fumero b
Juan Rodriguez Berbin dr
Amsel, Drossel, Fink und Martin
Zweiter Act des Abends am 18. April im Theaterhaus ist das Tingvall-Trio. Seit 2003 in genau dieser Besetzung unterwegs, immer noch unter Strom und produktiv: da muss eine besondere Magie zwischen diesen Wahl-Hamburgern wirken. Davon konnte sich das Publikum im voll besetzten Saal T2 überzeugen. Der gebürtige Schwede spielte nicht nur bekanntes und auch bislang unveröffentlichtes Material, sondern auch, huch, Luftgitarre. Nicht wirklich, natürlich! Der Titel Airguitar ist vielmehr eine Verbeugung vor Carlos Santana, exaltiertes Posing bleibt also aus. Stattdessen gibt es diese Tingvall-typische und einzigartige Melange aus kraft- und druckvollem Ensemblespiel und skandinavisch inspirierter Melancholie. Damit haben die Drei von der Waterkant das Publikum mal g´schwind in der Tasche, welches sich dann auch enthusiastisch mit reichlich Applaus bedankt.

Woodpecker heisst das Eröffnungsstück, ein Titel vom 2023 erschienenen Album Birds, inspiriert von Tingvalls Liebe zu den Vögeln und auch von seiner Sorge um die „Musiker der Natur”, wie er es selbst ausdrückt. Das Thema, von Omar Rodriguez Calvo auf dem Bass gespielt, schmeichelt sich ins Ohr und will dort bleiben: ein schöner Auftakt. Ein neues Album ist auch schon im Entstehen, das Publikum darf daran teilhaben. Die nächsten beiden Titel nämlich haben noch keinen solchen und sind damit gewissermaßen Erlkönige im Testlauf, bevor es dann ins Studio geht. Eine sehr spannende Herangehensweise, möglicherweise ein Schlüssel zur Einzigartigkeit und Qualität dieser Combo. Wie in Hummingbird etwa, in dem der Flügelschlag dieses erstaunlichen Winzlings sich in den lebendigen Figuren von Piano und Schlagzeug wiederfindet. Oder im sehnsuchtsvollen Vägen, welches zur Reise nach innen und somit zu sich selbst einlädt. Ist das Jazz? Ist es Pop? Und wieviel Rockmusik steckt in der Musik des Tingvall Trios, wenn das muskulöse Spiel Jürgen Spiegels die Trommeln explodieren lässt?
Egal. Bestens aufeinander eingespielt machen die Drei ihr Ding, minimalistisch-sparsam und im dichtgepackten, temporeichen Highspeed-Modus. Die Menschen im Saal goutieren das. Wohl auch, weil der Chef dieser Spielvereinigung mit seiner publikumsnahen Moderation und mitunter selbstironischen Einblicken in das Musikerleben überzeugt.
SOS, so heisst das letzte Stück vor der Zugabe, wird von Tingvall mit einem emotionale Statement zur Weltlage angesagt. Ist ja auch einfach vieles recht beängstigend momentan. Umso mehr kann man dankbar sein, wenn so ein wundersames Ding wie Musik Trost und Kraft spendet. So wie die des Tingvall Trios.
Martin Tingvall p
Omar Rodriguez Calvo b
Jürgen Spiegel dr
Fotos: Wolfgang Fricke, Rainer Ortag, jazzreportagen.com