Audrey Ochoa, Steph Richards und Silvervest bei der Canadian Night der jazzahead! 2022
Audrey Ochoa
Frankenhorn, so heisst das letzte Album der kanadische Posaunistin, doch frankenstein´scher Horror will sich beim Auftritt des Quartetts einfach nicht einstellen. Gute Laune kommt schon eher auf. Die Kompositionen Ochoas mit swingendem Groove (Swamp Castles) und Latinfeel (Snapp, Crackle, Flopp) machen, dass der Fuss wippt, die Lines der Leaderin sind flüssig und gehaltvoll, ihr Spiel schöpft die Möglichkeiten des Instruments souverän aus und der Publikumskontakt ist dank der humorigen Ansagen der Leaderin schnell geschlossen. Raum zur Darstellung hat auch ihr Gitarrist Jim Head, soundtechnisch erweitert der Bassist Mike Lent das Spektrum durch allerlei Spielereien mit seiner Elektronik.
Audrey Ochoa Posaune
Dave Laing Drums
Mike Lent Bass
Jim Head Gitarre
Steph Richards
Spannend und aufregend der Auftritt von Steph Richards. Das angekündigte Quartett wird von ihr kurzerhand zum Quintett erklärt, fünftes Mitglied der Band ist unübersehbar der kugelrunde Bauch der Avantgarde-Trompeterin. Komplexität, Energie, Dichte und Luftigkeit im Wechsel, urbanes Fieber, plötzliche Stille mit wieder ansteigender rauher Intensität: Steph Richards virtouse Combo fordert ihre Zuhörer heraus. Zeitgleich auseinanderdriftende musikalische Figuren finden wieder zueinander, rufende Kürzel der Trompete werden aufgegriffen und von den Mitspielern weiterentwickelt. Richards ist in der Lage, sehr tiefe Töne auf ihrem Instrument zu spielen. All das ist hochenergetisch, in sich höchst stimmig und vielgestaltig, aber eher nichts für den Abend zu zweit vor dem Kamin.
Steph Richards Trompete, Flügelhorn
Zachary Lober Bass
Joshua White Piano
Andrew Munsey Drums
Silvervest – Zombik & Caloia
Punkt 20 Uhr stellen sich die Kanadier Kim Zombik (Gesang) und Nicolas Caloia (bs) vor. Beide haben eine beachtliche Liste von Kooperationen vorzuweisen, die stilistisch vielfältig abgeschmeckt ist. Ein Kontrabass, eine Stimme, ein ganzes Programm: das heisst durchgehend volle Präsenz, wenn auch im Falle des Showcases lediglich für 30 Minuten. Keine Frage, das gelingt. Der Bass grooved ordentlich, wird mitunter dramatisch, liefert erdige Ostinati und gefühlvolles akkordisches Spiel; mit dem Bogen erzeugt Caloia gewaltige Tonkaskaden und -eruptionen. Darüber, daneben, dahinter entwickeln sich Kim Zombiks Vocals, faszinierend im steten Wechsel zwischen Gesang, Rezitation, Erzählung. Ausdrucksstark, nuancenreich und direkt ist ihr Vortrag, mitreißend sind ihre Positivität und ihr durchscheinender Humor. Dass sie sich in ihren Texten durchaus ernster Themen annimmt, steht dem offenbar nicht im Wege. Eine Entdeckung.
Kim Zombik Gesang
Nicolas Caloia Bass
Alle Fotos: Rainer Ortag, jazzreportagen.com